
In der Schweiz verschollen...
Donnerstag Morgen, 7:30 Uhr. Nach den zwei anstrengenden letzten Tagen vor der Abfahrt des Trucks, habe ich endlich mal wieder eine ruhige Nacht verbracht. Keine ungelösten Probleme malträtierten meinen Schönheitsschlaf. Soweit so gut. Bis jetzt. Das Klingeln meines Telefons reißt mich aus den Federn. Der Blick auf das Display verheißt nichts Gutes: Picco ist dran. Im Grunde nicht weiter schlimm, doch die Uhrzeit in Kombination mit der Tatsache, dass er gerade mit dem Challenge-Truck auf dem Weg nach Korsika ist, lassen mich ahnen, dass er nicht einfach nur mal Hallo sagen will.
Nach kurzem Zögern, ob ich da wirklich dran gehen soll und es damit zulasse, dass sich meine bis dahin heile Welt in einen mit rot blinkenden Lampen versehenden Kontrollraum verwandelt, siegt die Neugier: „Moin!“ begrüße ich Picco betont optimistisch, „Schon da?“ „Nicht wirklich.“ Erfolgt die nicht ganz unerwartete Antwort. „Wir stehen an der Schweizer Grenze und dürfen nicht rein.“
„Äha?“ Damit hatte ich nicht gerechnet. Man kann ja von den Schweizern halten was man will, bisher hatten sie uns aber immer in ihr Land gelassen. Zumal nur zur Durchreise... .
„Yep, die wollen den Frachtbrief sehen.“ Böhmische Dörfer tun sich auf. „Wieso Frachtbrief, wir sind doch keine Spedition?“ „Ist denen egal, die haben, glaub ich, Angst dass wir die ganzen schönen und vor allem nagelneuen Boote in der Schweiz verkaufen. Jetzt wollen die den Frachtbrief damit sie einen Stempel rein machen können, den sie dann bei der Ausreise wieder raus machen können.“ Ich bin mittlerweile hellwach und rechne aus, ob die verbleibende Zeit ausreicht, um im Zweifelsfalle einfach um die Schweiz drumherum zu fahren, um so den Schweizern mit ihren Stempeln ein Schnippchen zu schlagen. Zeit würde reichen. Schön wäre das aber nicht. Vor allem nicht für Picco und Marcus. Picco unterbricht mich in meinen Plan-B Überlegungen. „Die haben gesagt wenn ich einen Lieferschein hätte, könnte ich damit zu einer Spedition hier am Zoll. Der Spedition könnte ich Geld geben. Und den Lieferschein. Die würden dann daraus einen Formular machen. Auf dem Formular könnten die Schweizer dann drauf herum stempeln und wären froh. Und würden uns durch lassen.“ „Alles klar, ich fahr ins Büro und bastel einen Lieferschein, ich melde mich gleich!“
35 Minuten später sitze ich an meinem Schreibtisch und rufe Picco an: „Soll da irgendwas besonderes drauf stehen?“ „Nö, normal. Mit Artikelnummern. Und irgendeinem Wert. Den braucht vor allem die Spedition, weil die daran ablesen kann wie teuer das Formular wird!“.
Ok. Artikelnummern. Da ich keine passenden Artikelnummern zu unserem bunten Bootspark zur Hand habe, denke ich mir einfach welche aus. Einige Zeit später habe ich einen passablen, relativ echt aussehenden Lieferschein gebastelt. Von Kajakchallenge, an Kajakchallenge. Den maile ich an die Adresse der Spedition, bei der Picco sitzt, und die sich über Ihr funktionierendes Geschäftsmodell „Formular gegen gefälschten Lieferschein“ freut.
Jetzt heißt es mal wieder warten. Ich verbringe die Zeit im Wesentlichen damit, auf meinen Bildschirm zu starren und anhand des GPS „Find me Spot“, mit dessen Hilfe man ja den aktuellen Aufenthaltsort des Trucks online mitverfolgen kann, zu beobachten ob sich was tut. Tut sich aber nix, der Truck steht in Weil am Rhein, auf dem Zollhof, und bewegt sich nicht.
Eine Stunde später klingelt das Telefon. Picco ist dran: „Wir dürfen rein! Und haben einen tollen Stempel!“ Ich fühle mich erlöst.
Kurz darauf setzt sich der Truck auf meinem Bildschirm in Bewegung. Jetzt sollte alles gut sein.
Im Laufe der nächsten Stunden wandert der Truck auf meinem Bildschirm weiter in Richtung Fähre. Ich wende mich anderen Dingen zu und hoffe das Beste. Nach ein Paar Stunden blicke ich mal wieder auf die Karte mit dem Truck und dem Formular. „Stand der nicht schon vor drei Stunden an der angezeigen Position?“
Mittlerweile mit allem rechnend rufe ich Picco an. „Alles klar? Ihr bewegt Euch nicht mehr? Pause?“. „Nö, wir sind unterwegs, alles ist schön.“ Schnell wird klar: etwas stimmt mit dem GPS-Sender nicht. „Bitte nicht!“ denke ich mir. „Das war doch prima, dass man alles so schön sehen konnte.“
Um es abzukürzen: Wir konnten das Problem bisher nicht lösen, vermutlich liegt es an den falschen Batterien... . Die gute Nachricht aber ist – die Jungs sind mittlerweile in Korsika. Auch wenn der Sender immer noch verkündet er würde in der Schweiz auf der A2 gefangen gehalten. Dem ist nicht so. Die Jungs sind wirklich auf der Insel! Frische Lithium Batterien sind unterwegs mit Malte (einem Teilnehmer) und wenn alles funktioniert haben wir ab Samstag Mittag wieder ein frisches Signal. Warten wir es ab...